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Das neue Jahressechstel und dessen Auswirkungen auf die Praxis

News vom 9.3.2020

Dienstgeber sind ab 2020 dazu verpflichtet, in jenem Monat, in dem der letzte laufende Bezug im Kalenderjahr ausbezahlt wird das Jahressechstel für sonstige Bezüge neu zu berechnen. Im Regelfall wird es sich dabei um eine Neuberechnung im Dezember bzw bei unterjährigem Austritt im Austrittsmonat handeln. Die Folge ist, dass es durch die Neuberechnung zu einem nachträglichen Sechstelüberhang und einer Nachversteuerung (infolge Aufrollung) kommen kann.

Anhand ausgewählter Beispiele erklären wir Ihnen die neue Jahressechstelberechnung, insbesondere die Kontrollrechnung („Effektivsechstel“).

Grundlegendes

Unter Sonderzahlungen wird jener Teil des Entgelts verstanden, der dem Dienstnehmer neben seinen laufenden Bezügen regelmäßig in größeren Zeiträumen oder auch nur einmalig ausbezahlt wird.

Steuerrechtlich werden Sonderzahlungen als „Sonstige Bezüge“ bezeichnet und mit einem begünstigten Steuersatz von 6% versteuert. Als Freigrenze ist vorgesehen, dass die Besteuerung der sonstigen Bezüge unterbleibt, sofern das Jahressechstel höchstens € 2.100,- beträgt. Der Freibetrag und die Freigrenze von € 2.100,- kommen nur bei sonstigen Bezügen gemäß § 67 Abs 1 EStG zur Anwendung.

Unter Sonderzahlungen fallen in erster Linie Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuss (werden in der Praxis häufig als 13. und 14. Monatsgehalt oder Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezeichnet), sowie Bilanzgeld, Jahreserfolgsprämie, Einmalprämie, Jubiläumsgeld (-geschenk), Prämie für eine Diensterfindung usw.

Das „normale“ Jahressechstel errechnet sich aus den im Kalenderjahr bereits zugeflossenen laufenden Bezügen durch die bereits abgelaufenen Kalendermonate im Kalenderjahr mal 2 Monate.

Zweck und Hintergrund der Neuregelung

Hintergrund und Ziel der neuen Jahressechstel-Kontrollpflicht ist das Unterbinden exzessiver steuerlicher Sechsteloptimierungen.

Bis dato konnte das Jahressechstel erhöht werden, in dem

  1. das Jahressechstel unterjährig (zB bis zur Jahresmitte) stark in die Höhe getrieben wurde und
  2. dieses hohe Jahressechstel durch vorgezogene Sonderzahlungen ausgenutzt wurde.

Durch das damit erzielte höhere Jahressechstel kam es selten zu einem Jahressechstelüberhang, sodass die ausbezahlten Sonderzahlungen im Regelfall mit dem begünstigten Steuersatz besteuert wurden und nicht der Tarifversteuerung unterworfen werden mussten.

Die neue Jahressechstelregelung sieht Folgendes vor: Schwanken die Bezüge und somit das Jahressechstel unterjährig, so hat eine Neuberechnung am Jahresende bzw bei Austritt zu erfolgen. Übersteigt der Sonderzahlungsbetrag nach der Neuberechnung das „neue“ Jahressechstel, so sind die sonstigen Bezüge bei Auszahlung des letzten laufenden Bezuges verpflichtend aufzurollen und der Überhang ist nach dem Lohnsteuertarif (§ 67 Abs 10 EStG) zu versteuern.

Eine Sechstelaufrollung in die Gegenrichtung, also bei ansteigendem Jahressechstel, ist von der Gesetzesänderung nicht gedeckt.

Anwendungsfälle

Zu einer Nachversteuerung eines Teils der zuvor begünstigt besteuerten Sonderzahlungen aufgrund des „Kontrollsechstels“ kann es insbesondere in folgenden Fällen kommen:

Wenn in der 2. Jahreshälfte

  • die Arbeitszeit (und damit auch das Entgelt) vermindert;
  • Pflegekarenz-, Bildungskarenz-, Präsenzdienst- oder sonstige “Ruhensfälle” bzw unbezahlte Urlaube eintreten (das gilt nicht für die gesetzliche Elternkarenz, den Mutterschutz oder den Papamonat, da diese von der Kontrollsechstelpflicht ausgenommen sind);
  • das Entgelt aufgrund eines langen Krankenstandes vermindert oder zur Gänze entfällt.
  • Unterjähriger Austritt, wenn der zur Gänze erhaltene UZ nicht anteilig zurückgezahlt werden muss (zB infolge eines KV-Rückverrechnungsverbots).
  • Das Sechstel schwankt unterjährig und ist bspw aufgrund weggefallener Überstunden im Dezember niedriger als in jenem Monat (idR November), in dem die Weihnachtsremuneration ausbezahlt wurde.

Ausnahmen!

Eine Kontrollrechnung hat durch den Dienstgeber dann nicht zu erfolgen, wenn im Kalenderjahr Zeiten einer gesetzlichen Elternkarenz, eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots oder eines Papamonats liegen.

Praktische Beispiele

Gleichbleibende Bezüge

Bei gleichbleibenden Bezügen ergibt sich keine Nachversteuerung, da das Effektivsechstel mit dem „normalen“ Sechstel ident ist.

  • Gehalt Jänner bis Dezember: € 3.000
  • Urlaubszuschuss (Juni): € 3.000
  • Weihnachtsremuneration (November): € 3.000
  • Normales Sechstel Dezember: € 6.000 (bereits zugeflossen € 36.000/ 12 Kalendermonate im Kalenderjahr x 2 Monate = € 6.000)
  • Effektivsechstel Dezember: € 6.000 (vom Jahressechstel im Dezember 1/6: € 36.000/6)

Unterjähriger Austritt

Ein Dienstnehmer tritt per 31.08.2020 aus dem Unternehmen aus. Der anzuwendende Kollektivvertrag sieht ein Rückverrechnungsverbot der bereits ausbezahlten Sonderzahlung vor (in diesem Fall des Urlaubszuschusses). Im August werden letztmalig laufende Bezüge in diesem Kalenderjahr ausbezahlt, daher ist das Effektivsechstel zu berechnen.

  • Gehalt Jänner bis August: € 3.000
  • Urlaubszuschuss (Juni): € 3.000
  • Weihnachtsremuneration: € 2.005,48
  • „normales“ Sechstel: € 6.000 (bereits zugeflossen € 24.000/ 8 Kalendermonate des Kalenderjahres x 2 Monate = € 6.000)
  • Effektivsechstel: € 4.000,00 (vom Jahressechstel im August 1/6: € 24.000/6)
  • bereits ausbezahlte Sonderzahlungen: € 5.005,48
  • Sechstelüberhang: € 1.005,48 (Tarifbesteuerung)

Längerer Krankenstand

Der anzuwendende Kollektivvertrag sieht vor, dass Sonderzahlungen auch dann, wenn entgeltfreie Krankenstände vorliegen, nicht verringert werden dürfen. Durch den längeren Krankenstand (Teilentgelt bzw kein Anspruch auf Entgelt) wird das Jahressechstel nach unten gedrückt, sodass sich im November ein Sechstelüberhang ergibt. Im Dezember werden letztmalig laufende Bezüge in diesem Kalenderjahr ausbezahlt, daher ist das Effektivsechstel zu berechnen.

Obwohl das Effektivsechstel höher ist als das “normale” Jahressechstel im November, wird aufgrund des Sechstelüberhangs im November 2020 keine “Sonderzahlungs-Tariflohnsteuer” rückerstattet. Der derzeitige Gesetzeswortlaut beim Effektivsechstel sieht eine “Einbahnregelung” zugunsten der Finanz vor.

  • Jänner, Februar, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember Gehalt: € 3.000
  • März: € 1.200 (Krankenstand) – Jahressechstel: € 4.800,00
  • April: € 0,00 (Krankenstand) – Jahressechstel: € 3.600,00
  • Mai: € 2.400 (Krankenstand) – Jahressechstel: € 3.840,00
  • Urlaubszuschuss (Juni)
  • Weihnachtsremuneration (November): € 3.000
  • Jahressechstel: € 5.018,18 (bereits zugeflossene laufende Bezüge € 27.600/ 11 Kalendermonate im Kalenderjahr x 2 Monate = € 5.018,18)
  • Sechstelüberhang: € 981,82
  • „normales“ Sechstel Dezember: € 5.100 (bereits zugeflossene laufende Bezüge € 30.600,00 / 12 Kalendermonate im Kalenderjahr x 2 Monate = € 5.100)
  • Effektivsechstel: € 5.100 (vom Jahressechstel im Dezember 1/6: € 30.600/6)

Bildungskarenz bis Jahresende

Eine Dienstnehmerin ist ab August auf Bildungskarenz. Die letztmalig im Kalenderjahr laufende Bezüge wurden im August ausbezahlt, daher ist das Effektivsechstel im August 2020 zu berechnen.

  • Gehalt Jänner bis April: € 3.000
  • Gehaltserhöhung ab 01.05.2020 bis August: € 3.200
  • Anteilige Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration), aufgrund der bekannt gegebenen Bildungskarenz: je € 2.133,33
  • „normales“ Sechstel: € 6.200 (bereits zugeflossen € 24.800,00 / 8 Kalendermonate im Kalenderjahr x 2 Monate = € 6.200)
  • 29.066,66 /
  • Effektivsechstel: € 4.133,33 (vom Jahressechstel im August 1/6: € 24.800/6)
  • bereits ausbezahlte Sonderzahlungen: € 4.266,66
  • Effektivsechstelüberhang: € 133,33

Kontrollsechstel bei Austritt unter Freigrenze?

Ein Angestellter erhält ein Gehalt von monatlich € 2.000. Per 31.03.2020 tritt er aus dem Unternehmen aus. Die Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration) werden anteilig endabgerechnet. Im März werden letztmalig laufende Bezüge in diesem Kalenderjahr ausbezahlt, daher ist das Effektivsechstel zu berechnen.

  • Gehalt: € 2.000
  • anteiliger Sonderzahlungen: je € 497.27 € (gesamt 994,54 €)
  • „normales“ Sechstel: € 4.000 (bereits zugeflossen € 6.000,00 / 3 Kalendermonate im Kalenderjahr x 2 Monate)
  • Effektivsechstel: € 1.000,00 < € 2.100

Da das Effektivsechstel unter € 2.100 liegt, würde die Versteuerung der Sonderzahlungen unterbleiben.

Die Prüfung der Freigrenze darf nur auf Basis des regulären (“alten”) Jahressechstels erfolgen. Demnach ist die Freigrenze nicht anzuwenden. Das (geringere) Kontrollsechstel vermittelt die Freigrenze nicht.